Gründungserklärung des Kurdistan Solidaritätskomitee-NRW

Selbstverständnis:

In den letzten Monaten hat sich die Situation in den kurdischen Gebieten immer weiter verschlimmert. Die Folgen sind eine erneute Eskalation des Krieges des türkischen Staates gegen das kurdische Volk und Massenverhaftungen politischer und zivilgesellschaftlicher AktivistInnen.

Um eine aktive und kontinuierliche Solidaritätsarbeit mit dem kurdischen Freiheitskampf in Nordrhein Westfalen aufzubauen, schließen wir uns zum Kurdistan Solidaritätskomitees-NRW zusammen. Das Kurdistan Solidaritätskomitee-NRW arbeitet auf einer antifaschistischen, antiimperialistischen, antikapitalistischen, feministischen und internationalistischen Grundlage und lädt alle Gruppen und Personen, die diese Grundlage teilen, dazu ein, sich an der Arbeit des Solidaritätskomitee-NRW zu beteiligen.

Das Kurdistan Solidaritätskomitee-NRW sieht es als seine Aufgabe, die Hintergründe und aktuelle Situation des Konfliktes in Kurdistan und der Türkei in der deutschen Bevölkerung bekannt zu machen, über seine politischen Zusammenhänge aufzuklären und somit den nationalistischen und chauvinistischen Angriffengegen die KurdInnen den Boden zu entziehen. Des weiteren soll das Solidaritätskomitee-NRW dazu beitragen, Vorurteile abzubauen, antifaschistische Kräfte unterschiedlicher Herkunft zusammenzuführen, Verständnis und Solidarität zu fördern und durch den Austausch von Erfahrungen voneinander zu lernen. Wir wenden uns mit unserer Arbeit gegen die Unterstützung des deutschen Staates für die Kriegspolitik der türkischen Regierung und bei der Unterdrückung der kurdischen Bewegung durch Waffenlieferungen, politische und finanzielle Unterstützung. Wir wenden uns gegen die Verfolgung von kurdischen AktivistInnen und InternationalistInnen in Deutschland, durch die Paragraphen 129a und b, sowie gegen die Kriminalisierung kurdischer Organisationen, Betätigungsverbote und Abschiebungen. Wir wenden uns gegen die antikurdische Hetze - sei es seitens der Straßenfaschisten, deutschen und türkischen PolitikerInnen oder der Medien.

Zur Situation in Kurdistan:

Seit dem 14. April 2009 sind im Laufe der sogenannten KCK-Operationen 7748 KurdInnen festgenommen, und davon 3895 inhaftiert worden. Mehr als die Hälfte hiervon im letztem halben Jahr. Unter den Fest- und in Haftgenommenen befinden sich neben zahlreichen BDP-MitgliederInnen und WählerInnen auch gewählte BürgermeisterInnen und Abgeordnete.

Seit dem 27. Juli 2011 ist der kurdische Volksvertreter Abdullah Öcalan einer absoluten Isolationshaft ausgesetzt. Nach der Aussetzung der Gespräche zwischen A. Öcalans und Vertretern des türkischen Staates, wird ihm jeglicher Kontakt mit seinen Anwälten verwehrt. Hiermit wird ihm die letzte Möglichkeit genommen, sich zur Entwicklung des Kurdistan-Konflikts zu äußern und seine Bemühungen für eine politische Lösung der kurdischen Frage fortzusetzen. Ebenso gibt es Unklarheit über die Gesundheitssituation A. Öcalans. 3.5 Millionen KurdInnen haben in einer Petition Abdullah Öcalan als ihren politischen Vertreter benannt.

Seit dem 17. August bombardiert das türkische Militär regelmäßig das türkisch-irakische Grenzgebiet (Nord- und Südkurdistan). Gleichzeitig werden massiv türkische Streitkräfte zusammengezogen und mehr und mehr Militärstützpunkte aufgebaut, um einen breiten, grenzübergreifenden Bodenangriff vorzubereiten. Bei den Angriffen zwischen dem 22. und 25. Oktober setzte das Militär auch chemische Waffen ein, wodurch 36 FreiheitskämpferInnen getötet und verstümmelt wurden. Neben chemischen Kampfstoffen setzt das türkische Militär auch andere vom internationalen Kriegsrecht verbotene Waffen ein, wie z.B. Streubomben.

Seit dem 19. Oktober finden in der Türkei und ganz Europa antikurdische Demonstrationen, sowie pogromartige, faschistische Angriffe auf KurdInnen und deren Vereine statt. Diese Übergriffe werden von faschistischen Gruppen wie den Grauen Wölfen organisiert und massiv vom türkischen Staat, durch die Erhöhung und Ausbreitung von rassistischer und chauvinistischer Hetze, angefeuert und provoziert. Selbst das Erdbeben in der kurdischen Region Van wird durch die AKP-Regierung im Rahmen ihrer rassistischen Politik ausgenutzt. Hilfsleistungen für die Erdbebenopfer wurden und werden bewusst behindert, um die Bevölkerung zu vertreiben und die dort vorhandenen Selbstverwaltungsstrukturen zu zerschlagen.

Dies ist die nüchterne Betrachtung der aktuellen Ereignisse in der Türkei, Kurdistan und Europa.

Widerstand und Solidarität:

Allen Angriffen und Repressionen zum Trotz hat die kurdische Bevölkerung mit dem Aufbau der Demokratischen Autonomie auf dem Weg hin zu einer demokratisch-ökologischen und geschlechterbefreiten Gesellschaft begonnen. Zugleich wurden die Plattformen der Zusammenarbeit unter progressiven Kräften in der Türkei gestärkt. Hiermit demonstrieren die kurdische Bevölkerung und fortschrittliche Kreise in der Türkei ihr Beharren auf einer politischen Lösung des Konfliktes. immer wieder finden Massendemonstrationen mit mehreren hunderttausenden Menschen statt.

Neben den Volksaufständen (Serhildans) stellt der bewaffnete Kampf der HPG-Guerilla (Volksverteidigungskräfte) gegen die faschistischen Angriffe des türkischen Staates eine weitere Form des gerechten und legitimen Freiheitskampfs des kurdischen Volkes dar. Durch ihren Widerstand konnten die Guerillakräfte die Besetzung von Gebieten in Südkurdistan (Irak) durch die türkische Armee im Februar 2008 und durch die iranische Armee im August 2011 verhindern. Als Reaktion auf die anhaltenden Luftangriffe der türkischen Armee führten die Guerillakräfte am 19. Oktober 2011 eine großangelegte Aktion durch, bei der mehrere Militärstützpunkte gleichzeitig angegriffen und über 90 Soldaten getötet wurden.

Demgegenüber strebt der türkische Staat offen die Vernichtung der kurdischen Bewegung im Sinne einer "tamilischen Lösung" an. Die Kriegserklärung der türkischen Regierung gegen die kurdische Bewegung ist zugleich ein Angriff gegen fortschrittliche und demokratische oppositionelle Kräfte in der Türkei. Während dem türkischen Staat immer wieder schwerste Menschenrechts- und Kriegsverbrechen nachgewiesen werden konnten, die auch als Staatsterrorismus bezeichnet werden können - wie etwa der Einsatz von Folter und chemischer Waffen - verdrehen deutsche PolitikerInnen und Medien weiterhin die Tatsachen, indem sie die PKK des „Terrors“ zu bezichtigen und den Krieg gegen die KurdInnen als einen „Krieg gegen den Terror“ bezeichnen und aktiv unterstützen. Sowohl die psychologische, als auch die politische Dimension der Kriegsführung wird vom deutschen Staat hier weiter geführt.

Dagegen wollen wir mit der Gründung und Arbeit des Solidaritätskomitee-NRW ein Zeichen setzen, internationale Solidarität, antifaschistische Bündnisse und Zusammenarbeit stärken. Wir laden alle Gruppen und Einzelpersonen, die das Selbstverständnis des Solidaritätskomitees-NRW teilen, zur Mitarbeit und Unterstützung ein.

Wir fordern:

Keine Waffenlieferungen und finanzielle Unterstützung für die Türkei!
Aufhebung des PKK-Verbots!
Abschaffung der Paragraphen 129, a und b!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Keine Abschiebungen an den Folter-Staat Türkei!
Nie wieder Faschismus!
Sofortige Einstellung aller Militäroperationen und politischen Repressionen gegen KurdInnen!
Freiheit und demokratische Selbstbestimmung für Kurdistan!
Hoch die internationale Solidarität!

UnterstützerInnen:

Rote Antifa [NRW]; Cenî – Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V.; YXK Verband der Studierenden aus Kurdistan; KGÖ Deutschland; MLKP NRW; see red! - Linke Initiative Düsseldorf | (iL); CİVAKA AZAD - Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V.; YEK-KOM - Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland e.V.; MLPD Geschäftsstelle NRW; ADGH – Demokratische Jugendbewegung in Europa; Landesarbeitsgemeinschaft Migration, Integration, Antirassismus (LAG MIA) der Partei DIE LINKE.NRW

Kontakt: kurdistansoli-nrw@gmx.de.